Aus der Hand 2021, 66 photographs, fine art prints in frames, different sizes
Die eigenen Handlungsweisen werden vom Künstler in einer selbstreflexiven und kritischen Manier geprüft, dokumentiert und archiviert. Manchmal entstehen daraus Arbeiten. So ist es auch mit den, in Größe und Format variierenden Fotografien jener jüngsten Serie, die an vielerlei Orten stets das gleiche Objekt zu portraitieren scheinen. Eine Graukarte ist zu sehen, die für den Weißabgleich bei fotografischen Aufnahmen vor die Linse gehalten wird. Sie dient dazu, die Lichtstimmung zu messen.
Dabei ist oftmals die Hand des Künstlers erkennbar oder eine helfende Person, die gerade ‘zur Hand’ war. Jene Karte ist eines der Objekte, die der Betrachterin meist verborgen bleiben und schnell in Vergessenheit zu geraten scheinen. Doch kann die Graukarte als ein exemplarisches Beispiel dafür verstanden werden, welche Objekte tatsächlich die unabdingbaren Begleiter auf dem Weg dorthin sind, eine künstlerische, generische Idee in die Tat umzusetzen. Auch wird schnell deutlich, dass sich die Größen der Formate an der Proportionalität des fotografierten Objektes richten; ein Spiel mit der trügerischen menschlichen Optik und ein Verweis auf all das, was man über Fotografie zu wissen glaubt. Plüddemann verdreht den Fokus auf die fotografierten Objekte, indem er kaschiert, zu Teilen überdeckt oder auch eine wechselnde Schärfe-Unschärfe Relation zwischen Hintergrund und Vordergrund bewirkt. Die Achtsamkeit und der Feinsinn, die hier deutlich werden, spiegeln sich im gesamten Werkkomplex des Künstlers wider. Interessant ist auch, dass es sich bei den, in den Hintergrund gerückten, Räumen stets um Kunstkontext-bezogene Räumlichkeiten handelt oder gar um Kunstwerke aus fremder Hand, deren Rampenlicht nun vom Werkzeug technischer Überlegungen gestohlen wird.
Das dokumentarische Interesse des Künstlers gibt sich an diversen Stellen zu erkennen, nicht einzig in seinem Feld, dem fotografischen Diskurs. Auch die Betitelung einzelner Werke, hier beispielsweise die jeweilige Datenbenennung der RAW-Daten im Kamera-internen Speicher, verweisen auf sein indexikalisches Interesse. Dabei spielen künstlerische Gesten und Fragestellungen nach Autorschaft sowie der Originalität einer künstlerischen Handschrift ebenso eine Rolle, wie die scharfsinnige Beobachtung des Eigenen.
In den verschiedenen Möglichkeiten der Werkbetrachtung, findet sich auch ein weiterer wichtiger Aspekt der Arbeit Plüddemanns wieder: das Nachdenken über die Bedeutung von Räumen. Ob als Medialer Denkanstoß oder im philosophischen Sinne, verhandelt der Künstler wie Räume simuliert werden oder wann wir sie betreten. In seinem Aufsatz „Räume“ aus dem Jahr 1991 vertritt Vilém Flusser die Annahme, „die künftige Raumgestaltung werde nicht eine Spezialisation, sondern eine Generalisation sein. Sie wird nämlich eine Vielzahl von ineinandergreifenden, sich im Raum und in der Zeit verschiebenden grauen Zonen zu öffnen haben, innerhalb welcher die Spezialisten der einzelnen Sphären gemeinsam Informationen schaffen, speichern und verteilen werden.“ Dabei spielt der Screen in Plüddemanns Arbeit eine ebenso wichtige Rolle, wie das Objektiv, das Papier als Bildträger oder das Bild per se. Auch das Grau als Farbraum, ebenso wie das Weiß – als, für die Fotografie unabdingbare Entität des Lichts – verhandelt und beschreibt der Künstler facettenreich und zuweilen auch mit einem Augenzwinkern.
Martin Plüddemann gelingt es, in seiner konzeptionellen Fotografie, die Verschiebungen von Raum und Zeit geschickt auszutarieren und weit über das reine Abbild hinaus zu weisen.
Luisa Schlotterbeck